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Sonntag, 9. März 2025

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„Alles gebaut – Vorhandenes beleben und verdichten!“

Täglich werden in Österreich rund 13 Hektar wertvoller Boden „verbraucht“. Raumordnung und Bauen stehen teils äußerst kontrovers in Diskussion. Im Gespräch mit Architektin Sonja Gasparin.

Der Druck von Investoren, Almbereiche weiter mit Chalets verhütteln zu wollen, auch auf der Gerlitzen, scheint nach wie vor vorhanden zu sein. Wie sehen Sie diese Problematik?
GASPARIN: Ja, das ist ein Riesenproblem. Dieser Druck durch Investoren ist darauf Zurückzuführen, dass aufgrund niedriger Zinsen in „Betongold“ als Anlage investiert wurde. In Städten, an Seen und auf den Almen. Allerdings handelt es sich bei den Almen um hochsensible Zonen mit kurzen Vegetationszeiten. Für den Bau der Chalets werden die Böden umgeackert und mit Infrastruktur wie Straßen, Wasser, Kanal, Strom, IT und Beleuchtung überzogen. Die natürliche Topografie wird verändert. Starkregenfälle werden die Täler mit noch mehr Muren bedrohen. Nicht zu vergessen: Die Errichtung der Infrastrukturen und den laufenden Erhalt der Wege zahlt die Allgemeinheit.

Auch die Umgebung um den Faaker See beispielsweise spiegelt kunterbunte Architekturrichtungen wider. Würfelbauten neben Kärntner Schopf, Walmdach und Terrassenobjekte. Können Sie mit der Kärntner Bauordnung leben?
Ob etwas schlecht oder gut gedacht ist, dafür kann eine Bauordnung nichts. Die Frage ist, wer sind die Auftraggeber oder Investoren, welches Bildungsniveau steht dahinter, welches Wissen um Werte? Gute Architektur hat bleibenden Wert, denn über den kulturellen Wert hinaus ist die Lebensdauer eines Objekts und auch ihr Verkaufswert höher. Da rechnen sich die Planungskosten rasch. Leider sind die wenigen Plätze, die sich noch rund um die Seen anbieten, in den Händen von Bauträgern, die egal ob gut geplant oder funktionell mangelhaft und unsensibel in die Landschaft gesetzt, zur Zeit noch alles anbringen. Im Bereich der Einfamilienhäuser dominiert ein Typ mit Zeltdach, der das Bedürfnis nach geschützten Außenräumen nicht befriedigen kann. Das Ergebnis zeigt sich in Schutzwällen aus Hecken oder neuerdings Plastikzäunen, kein freundlicher Anblick im Straßenraum.

„PRODUKTION VON LEERSTAND“
In etlichen Gemeinden wird über die Zweitwohnsitze diskutiert. Was sind die Folgen, was sollte getan werden?
Die Seeufer sollten, je nach Topografie, auf wenigstens 50 Metern Tiefe unverbaut und ganzjährig öffentlich zugänglich sein. Zweitwohnsitze errichten heißt Produktion von Leerstand, von Geisterorten. Nur belebte Orte sind gute Orte. Dass Zweitwohnsitze dem Tourismus schaden, ist bekannt.

„ORTSKERNE REVITALISIEREN“
Die Zersiedelung schreitet offenbar unaufhaltsam voran. Mit welchen Maßnahmen könnte entgegengewirkt werden?
Für die Raumordnungsfragen ist mehr Stringenz gefordert. Wie vielfach zu sehen, werden in reizvollen Lagen bei großem Flächenverbrauch weiter Bauareale eröffnet, ohne damit wirklich Lebensqualität zu erzeugen. Jede Baulandwidmung abseits der bestehenden Orte erzeugt hohe Kosten, die in Österreich alle Steuerzahler berappen müssen. Zu den Errichtungskosten für Infrastruktur kommen noch die laufenden Kosten, und schlussendlich die Tatsache, dass in zersiedelten Gebieten öffentlicher Verkehr unleistbar ist. Neben sparsamer Widmung und Rückwidmung ist das Förderwesen zu ändern. Also keine Förderung freistehender Objekte, hingegen hohe Förderungen für die Revitalisierung von Bestandsbauten und die Nachverdichtung in den Ortskernen. Für die ebenfalls vieldiskutierte Bodenversiegelung stehen Tirol und Vorarlberg als positives Beispiel, wo etwa bei Supermärkten nur noch auf dem Objekt oder darunter geparkt werden darf.

„BÜRGERMEISTER UNTER ZUGZWANG“
Es heißt oft, Bürgermeister seien überfordert. Soll die Verbauung weiter im jeweiligen Gemeinderat verbleiben?
Natürlich sind die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in dieser Frage überfordert. Es braucht eine Gesamtschau mit der Entwicklung ökonomischer, infrastruktureller, sozialer und ökologischer Zielvorstellungen, und das kann eine Bürgermeisterin oder Bürgermeister praktisch kaum, weil sie bei ihren Wählerinnen und Wählern unter Zugzwang stehen. Das Thema „Bauen“ gehört generell einer übergeordneten Institution übertragen. Es sollte ein Pool geschaffen werden, aus dem heraus die Kommunen Gründe ankaufen, um so eine vernünftige Raumplanung umzusetzen.

VON BESIEDELUNG VERFLECKT
Wird unsere Landschaft genügend geschützt, orten Sie ausreichende Konzepte?
Die Konzepte sind sicher nicht ausreichend. Wenn man Luftbilder betrachtet und sieht, wie die Kärntner Landschaft von Besiedelung verfleckt ist, sollte es einem eigentlich wie Schuppen von den Augen fallen – es ist bereits fünf nach zwölf. In Kärnten ist fast alles gebaut. Es soll das Vorhandene belebt und verdichtet werden. Fehler der jüngeren Vergangenheit dürfen sich nicht wiederholen.

Welche neuen Technologien oder Trends im Bereich nachhaltiges Bauen finden Sie vielversprechend für die Zukunft?
Das Nachhaltigste ist erstens die lange Nutzungsdauer und zweitens die Umnutzung von Bestandsbauten. Zum Dritten gilt es, den räumlichen Bedarf auf seine Sinnhaftigkeit und Angemessenheit zu prüfen – womit wir wieder bei intelligent geplanten Grundrissen wären. Schlussendlich soll eine klare und einfache Struktur geschaffen werden, die lange Nutzungsdauer und Umnutzbarkeiten garantiert. Schweizer Architekten-Kollegen planen bereits mit der Errichtung, wie ein Objekt dissembliert, also das Material schonend abgebrochen werden kann, um es wieder zu verwenden. Kurzfristig denken schadet.

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Täglich werden in Österreich rund 13 Hektar wertvoller Boden „verbraucht“. Raumordnung und Bauen stehen teils äußerst kontrovers in Diskussion. Im Gespräch mit Architektin Sonja Gasparin.

Der Druck von Investoren, Almbereiche weiter mit Chalets verhütteln zu wollen, auch auf der Gerlitzen, scheint nach wie vor vorhanden zu sein. Wie sehen Sie diese Problematik?
GASPARIN: Ja, das ist ein Riesenproblem. Dieser Druck durch Investoren ist darauf Zurückzuführen, dass aufgrund niedriger Zinsen in „Betongold“ als Anlage investiert wurde. In Städten, an Seen und auf den Almen. Allerdings handelt es sich bei den Almen um hochsensible Zonen mit kurzen Vegetationszeiten. Für den Bau der Chalets werden die Böden umgeackert und mit Infrastruktur wie Straßen, Wasser, Kanal, Strom, IT und Beleuchtung überzogen. Die natürliche Topografie wird verändert. Starkregenfälle werden die Täler mit noch mehr Muren bedrohen. Nicht zu vergessen: Die Errichtung der Infrastrukturen und den laufenden Erhalt der Wege zahlt die Allgemeinheit.

Auch die Umgebung um den Faaker See beispielsweise spiegelt kunterbunte Architekturrichtungen wider. Würfelbauten neben Kärntner Schopf, Walmdach und Terrassenobjekte. Können Sie mit der Kärntner Bauordnung leben?
Ob etwas schlecht oder gut gedacht ist, dafür kann eine Bauordnung nichts. Die Frage ist, wer sind die Auftraggeber oder Investoren, welches Bildungsniveau steht dahinter, welches Wissen um Werte? Gute Architektur hat bleibenden Wert, denn über den kulturellen Wert hinaus ist die Lebensdauer eines Objekts und auch ihr Verkaufswert höher. Da rechnen sich die Planungskosten rasch. Leider sind die wenigen Plätze, die sich noch rund um die Seen anbieten, in den Händen von Bauträgern, die egal ob gut geplant oder funktionell mangelhaft und unsensibel in die Landschaft gesetzt, zur Zeit noch alles anbringen. Im Bereich der Einfamilienhäuser dominiert ein Typ mit Zeltdach, der das Bedürfnis nach geschützten Außenräumen nicht befriedigen kann. Das Ergebnis zeigt sich in Schutzwällen aus Hecken oder neuerdings Plastikzäunen, kein freundlicher Anblick im Straßenraum.

„PRODUKTION VON LEERSTAND“
In etlichen Gemeinden wird über die Zweitwohnsitze diskutiert. Was sind die Folgen, was sollte getan werden?
Die Seeufer sollten, je nach Topografie, auf wenigstens 50 Metern Tiefe unverbaut und ganzjährig öffentlich zugänglich sein. Zweitwohnsitze errichten heißt Produktion von Leerstand, von Geisterorten. Nur belebte Orte sind gute Orte. Dass Zweitwohnsitze dem Tourismus schaden, ist bekannt.

„ORTSKERNE REVITALISIEREN“
Die Zersiedelung schreitet offenbar unaufhaltsam voran. Mit welchen Maßnahmen könnte entgegengewirkt werden?
Für die Raumordnungsfragen ist mehr Stringenz gefordert. Wie vielfach zu sehen, werden in reizvollen Lagen bei großem Flächenverbrauch weiter Bauareale eröffnet, ohne damit wirklich Lebensqualität zu erzeugen. Jede Baulandwidmung abseits der bestehenden Orte erzeugt hohe Kosten, die in Österreich alle Steuerzahler berappen müssen. Zu den Errichtungskosten für Infrastruktur kommen noch die laufenden Kosten, und schlussendlich die Tatsache, dass in zersiedelten Gebieten öffentlicher Verkehr unleistbar ist. Neben sparsamer Widmung und Rückwidmung ist das Förderwesen zu ändern. Also keine Förderung freistehender Objekte, hingegen hohe Förderungen für die Revitalisierung von Bestandsbauten und die Nachverdichtung in den Ortskernen. Für die ebenfalls vieldiskutierte Bodenversiegelung stehen Tirol und Vorarlberg als positives Beispiel, wo etwa bei Supermärkten nur noch auf dem Objekt oder darunter geparkt werden darf.

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Es heißt oft, Bürgermeister seien überfordert. Soll die Verbauung weiter im jeweiligen Gemeinderat verbleiben?
Natürlich sind die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in dieser Frage überfordert. Es braucht eine Gesamtschau mit der Entwicklung ökonomischer, infrastruktureller, sozialer und ökologischer Zielvorstellungen, und das kann eine Bürgermeisterin oder Bürgermeister praktisch kaum, weil sie bei ihren Wählerinnen und Wählern unter Zugzwang stehen. Das Thema „Bauen“ gehört generell einer übergeordneten Institution übertragen. Es sollte ein Pool geschaffen werden, aus dem heraus die Kommunen Gründe ankaufen, um so eine vernünftige Raumplanung umzusetzen.

VON BESIEDELUNG VERFLECKT
Wird unsere Landschaft genügend geschützt, orten Sie ausreichende Konzepte?
Die Konzepte sind sicher nicht ausreichend. Wenn man Luftbilder betrachtet und sieht, wie die Kärntner Landschaft von Besiedelung verfleckt ist, sollte es einem eigentlich wie Schuppen von den Augen fallen – es ist bereits fünf nach zwölf. In Kärnten ist fast alles gebaut. Es soll das Vorhandene belebt und verdichtet werden. Fehler der jüngeren Vergangenheit dürfen sich nicht wiederholen.

Welche neuen Technologien oder Trends im Bereich nachhaltiges Bauen finden Sie vielversprechend für die Zukunft?
Das Nachhaltigste ist erstens die lange Nutzungsdauer und zweitens die Umnutzung von Bestandsbauten. Zum Dritten gilt es, den räumlichen Bedarf auf seine Sinnhaftigkeit und Angemessenheit zu prüfen – womit wir wieder bei intelligent geplanten Grundrissen wären. Schlussendlich soll eine klare und einfache Struktur geschaffen werden, die lange Nutzungsdauer und Umnutzbarkeiten garantiert. Schweizer Architekten-Kollegen planen bereits mit der Errichtung, wie ein Objekt dissembliert, also das Material schonend abgebrochen werden kann, um es wieder zu verwenden. Kurzfristig denken schadet.

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