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Donnerstag, 21. November 2024

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„Anna wäre heute die Vorständin eines Konzerns“

Knallharte Geschäftsfrau, sechsmal verheiratet, der Hexerei angeklagt, vor 400 Jahren zum ersten Mal begraben: Im historischen Roman „Witwenküsse“ wird das Leben – mit vielen Villacher Spuren – der faszinierenden Unternehmerin Anna Neumann von Autorin Friederun Pleterski überaus spannend nachgezeichnet.

Was war an Anna Neumann so faszinierend, dass Sie sich derart intensiv mit ihr beschäftigen?
PLETERSKI: Auf der Suche nach „großen Töchtern“ bin ich auf sie gestoßen. Diese Frau konnte selber denken, sich durchsetzen und anpacken. Sie verfolgte mit Konsequenz ihre Ziele. Verglichen mit den Männern ihrer Zeit war sie auffallend sparsam. Ihr konnte keiner was vormachen.

IN EINEM GEHEIMFACH ENTDECKT …
In Ihrem Roman erfinden Sie die Memoiren der Anna Neumann. Das heißt, eine zweite Protagonistin, Josefine Schaller, entdeckt als Hobbyhistorikerin Annas Aufzeichnungen. Es folgt ein Wechselspiel zwischen Fakten und Fiktion.
Josefine ist Hobby-Historikerin. Was sie über die Zeitspanne, in der Anna Neumann lebte, weiß, hat sie sich er-lesen: Die Jahreszahlen und die Dokumente ergeben ein Gerüst, Publikationen zur Alltagskultur sind das Material für eine Abschlussarbeit im Fach „Geschichte“. Also musste noch etwas her, damit daraus ein Roman wird. Anna selber! In einem Geheimfach des Schloss-Archivs entdeckt Josefine Annas selbst verfasste Memoiren …
In die Jetztzeit übertragen: In welcher Rolle könnten Sie sich Anna heute vorstellen?
Als Vorständin eines Konzerns oder einer internationalen Organisation, an deren Aufbau sie beteiligt war. Sie ist Juristin. Mit allen Wassern gewaschen.
Woher kam der Reichtum von Annas Familie?
Nun, ihr Vater war zur rechten Zeit am rechten Ort, in Idrija, wo man Quecksilber entdeckt hatte. Er baute ein Handelsnetz auf und spekulierte mit Aktien. Sein Startkapital waren die Aktien seiner ersten Ehefrau. Seine zweite Ehefrau, Annas Mutter, verwaltete sein Vermögen. Mit ihrem zweiten Ehemann Hans Seenus erwarb sie Immobilien, behielt aber noch die Aktien von Idrija. Sie gründete eine Privatbank. In einer Zeit, in der es noch kein Papiergeld gab und jeder bei jedem verschuldet war, und die Hofkammer bei allen, handelte sie erfolgreich mit Schuldscheinen.

Anna Neumann konnte später ihr ererbtes Vermögen ständig mehren. Dazu bedarf es jedoch eines kaufmännischen Know-hows. Woher hatte sie dieses?
Gelernt hatte sie den Umgang mit Geld von ihrer Mutter. Sie lernte vor allem, wie man verliehenes Geld eintrreibt. Das Gespür für Entwicklungen am Aktienmarkt hat sie von beiden Elternteilen geerbt. Einblick in volle Brieftaschen korrupter Beamter und in die leeren Taschen des Hochadels bekam sie von ihrem Stiefvater, dem Bamberg`schenVizedom Hans Seenus.

In „Witwenküsse“ zeichnet Autorin Friederun Pleterski das faszinierende Leben der Anna Neumann nach. Foto: Gert Köstinger
In „Witwenküsse“ zeichnet Autorin Friederun Pleterski das faszinierende Leben der Anna Neumann nach. Foto: Gert Köstinger

DER HEXEREI ANGEKLAGT
Unternehmerischer Erfolg, wachsender Reichtum erzeugen oft Neid und Gerüchte. Auch ihr Privatleben gab offenbar Anlass zu Spekulationen und übler Nachrede. Sie wurde zweimal mit Hexerei in Verbindung gebracht?
Schon ihrer Mutter sagte man Zauberkräfte nach. Es ging ums Hagelmachen. „Warum“, fragten sich die Leute, „hat der Hagel unser Feld zerstört, und nicht das der Neumann? Die haben sicher einen Hagelmacher beauftragt.“ In den Augen der Nachbarn zogen die Frauen Profit aus dem Unglück der anderen. Es kam nie zu einem Hexenprozess, nur zu Anklagen.

LEBENSABSCHNITTSPARTNER
Anna war gleich sechs Mal verheiratet, was auch zur damaligen Zeit ungewöhnlich war. Liebe wird dafür wohl nicht in allen Fällen ausschlaggebend gewesen sein?
Die Liebesheirat ist eine Erfindung der Romantik. Annas Ehemänner waren Lebensabschnittspartner. Und weil sie eine finanziell unabhängige Frau war, hat sie sich die passenden Partner eben ausgesucht.

In Gerüchten wurde ihr unterstellt, sie hätte einige ihrer Männer auf dem Gewissen, möglicherweise vergiftet?
Bis heute wird es ihr unterstellt. Und genau diese Unterstellung hat mich dazu motiviert, den Roman zu schreiben.

VON BAUERN ERSCHLAGEN
Was wurde späterhin aus ihren Kärntner Besitzungen in Villach, Wasserleonburg in Nötsch, Treffen oder Schloss Leonstain in Pörtschach?

Die Kärntner Besitzungen gingen an einen Nachfahren aus der ersten Ehe ihres Vaters. Diese Linie war noch von ihrer Mutter rücksichtslos abgefunden worden. Vielleicht wollte Anna mit der Schenkung etwas gutmachen. Der Erbe, Christian von Proy, lebte auf großem Fuß. 1625 wurde er von aufgebrachten Bauern erschlagen.

AUFSTIEG DER SCHWARZENBERGS
Mit ihrem letzten Ehemann – er war rund 50 Jahre jünger – war Anna rund sechseinhalb Jahre verehelicht, als sie 88-jährig starb. Es war Georg Ludwig zu Schwarzenberg, dem sie die Murtaler Besitzungen vermachte. Was wurde daraus?
Die Herrschaft Murau wurde zur finanziellen Basis für den steilen Aufstieg ihres Erben Georg Ludwig zu Schwarzenberg. Den Weg an den Hof ebnete ihm Hans Ulrich von Eggenberg, der die letzte Ehe Annas eingefädelt hatte. Georg Ludwig starb kinderlos und übertrug die Herrschaft Murau einem Cousin. Durch Loyalität zum Kaiserhaus, durch Verdienste und Kauf vergrößerte sich der Besitz, vor allem in Böhmen.

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Knallharte Geschäftsfrau, sechsmal verheiratet, der Hexerei angeklagt, vor 400 Jahren zum ersten Mal begraben: Im historischen Roman „Witwenküsse“ wird das Leben – mit vielen Villacher Spuren – der faszinierenden Unternehmerin Anna Neumann von Autorin Friederun Pleterski überaus spannend nachgezeichnet.

Was war an Anna Neumann so faszinierend, dass Sie sich derart intensiv mit ihr beschäftigen?
PLETERSKI: Auf der Suche nach „großen Töchtern“ bin ich auf sie gestoßen. Diese Frau konnte selber denken, sich durchsetzen und anpacken. Sie verfolgte mit Konsequenz ihre Ziele. Verglichen mit den Männern ihrer Zeit war sie auffallend sparsam. Ihr konnte keiner was vormachen.

IN EINEM GEHEIMFACH ENTDECKT …
In Ihrem Roman erfinden Sie die Memoiren der Anna Neumann. Das heißt, eine zweite Protagonistin, Josefine Schaller, entdeckt als Hobbyhistorikerin Annas Aufzeichnungen. Es folgt ein Wechselspiel zwischen Fakten und Fiktion.
Josefine ist Hobby-Historikerin. Was sie über die Zeitspanne, in der Anna Neumann lebte, weiß, hat sie sich er-lesen: Die Jahreszahlen und die Dokumente ergeben ein Gerüst, Publikationen zur Alltagskultur sind das Material für eine Abschlussarbeit im Fach „Geschichte“. Also musste noch etwas her, damit daraus ein Roman wird. Anna selber! In einem Geheimfach des Schloss-Archivs entdeckt Josefine Annas selbst verfasste Memoiren …
In die Jetztzeit übertragen: In welcher Rolle könnten Sie sich Anna heute vorstellen?
Als Vorständin eines Konzerns oder einer internationalen Organisation, an deren Aufbau sie beteiligt war. Sie ist Juristin. Mit allen Wassern gewaschen.
Woher kam der Reichtum von Annas Familie?
Nun, ihr Vater war zur rechten Zeit am rechten Ort, in Idrija, wo man Quecksilber entdeckt hatte. Er baute ein Handelsnetz auf und spekulierte mit Aktien. Sein Startkapital waren die Aktien seiner ersten Ehefrau. Seine zweite Ehefrau, Annas Mutter, verwaltete sein Vermögen. Mit ihrem zweiten Ehemann Hans Seenus erwarb sie Immobilien, behielt aber noch die Aktien von Idrija. Sie gründete eine Privatbank. In einer Zeit, in der es noch kein Papiergeld gab und jeder bei jedem verschuldet war, und die Hofkammer bei allen, handelte sie erfolgreich mit Schuldscheinen.

Anna Neumann konnte später ihr ererbtes Vermögen ständig mehren. Dazu bedarf es jedoch eines kaufmännischen Know-hows. Woher hatte sie dieses?
Gelernt hatte sie den Umgang mit Geld von ihrer Mutter. Sie lernte vor allem, wie man verliehenes Geld eintrreibt. Das Gespür für Entwicklungen am Aktienmarkt hat sie von beiden Elternteilen geerbt. Einblick in volle Brieftaschen korrupter Beamter und in die leeren Taschen des Hochadels bekam sie von ihrem Stiefvater, dem Bamberg`schenVizedom Hans Seenus.

In „Witwenküsse“ zeichnet Autorin Friederun Pleterski das faszinierende Leben der Anna Neumann nach. Foto: Gert Köstinger
In „Witwenküsse“ zeichnet Autorin Friederun Pleterski das faszinierende Leben der Anna Neumann nach. Foto: Gert Köstinger

DER HEXEREI ANGEKLAGT
Unternehmerischer Erfolg, wachsender Reichtum erzeugen oft Neid und Gerüchte. Auch ihr Privatleben gab offenbar Anlass zu Spekulationen und übler Nachrede. Sie wurde zweimal mit Hexerei in Verbindung gebracht?
Schon ihrer Mutter sagte man Zauberkräfte nach. Es ging ums Hagelmachen. „Warum“, fragten sich die Leute, „hat der Hagel unser Feld zerstört, und nicht das der Neumann? Die haben sicher einen Hagelmacher beauftragt.“ In den Augen der Nachbarn zogen die Frauen Profit aus dem Unglück der anderen. Es kam nie zu einem Hexenprozess, nur zu Anklagen.

LEBENSABSCHNITTSPARTNER
Anna war gleich sechs Mal verheiratet, was auch zur damaligen Zeit ungewöhnlich war. Liebe wird dafür wohl nicht in allen Fällen ausschlaggebend gewesen sein?
Die Liebesheirat ist eine Erfindung der Romantik. Annas Ehemänner waren Lebensabschnittspartner. Und weil sie eine finanziell unabhängige Frau war, hat sie sich die passenden Partner eben ausgesucht.

In Gerüchten wurde ihr unterstellt, sie hätte einige ihrer Männer auf dem Gewissen, möglicherweise vergiftet?
Bis heute wird es ihr unterstellt. Und genau diese Unterstellung hat mich dazu motiviert, den Roman zu schreiben.

VON BAUERN ERSCHLAGEN
Was wurde späterhin aus ihren Kärntner Besitzungen in Villach, Wasserleonburg in Nötsch, Treffen oder Schloss Leonstain in Pörtschach?

Die Kärntner Besitzungen gingen an einen Nachfahren aus der ersten Ehe ihres Vaters. Diese Linie war noch von ihrer Mutter rücksichtslos abgefunden worden. Vielleicht wollte Anna mit der Schenkung etwas gutmachen. Der Erbe, Christian von Proy, lebte auf großem Fuß. 1625 wurde er von aufgebrachten Bauern erschlagen.

AUFSTIEG DER SCHWARZENBERGS
Mit ihrem letzten Ehemann – er war rund 50 Jahre jünger – war Anna rund sechseinhalb Jahre verehelicht, als sie 88-jährig starb. Es war Georg Ludwig zu Schwarzenberg, dem sie die Murtaler Besitzungen vermachte. Was wurde daraus?
Die Herrschaft Murau wurde zur finanziellen Basis für den steilen Aufstieg ihres Erben Georg Ludwig zu Schwarzenberg. Den Weg an den Hof ebnete ihm Hans Ulrich von Eggenberg, der die letzte Ehe Annas eingefädelt hatte. Georg Ludwig starb kinderlos und übertrug die Herrschaft Murau einem Cousin. Durch Loyalität zum Kaiserhaus, durch Verdienste und Kauf vergrößerte sich der Besitz, vor allem in Böhmen.

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