Dr. Anneliese Rohrer, gebürtige Wolfsbergerin, Grand Dame des Journalismus, Trägerin zahlreicher bedeutender Auszeichnungen, Politikexpertin, gilt als eine der scharfsinnigsten und kritischsten Stimmen des österreichischen Journalismus.
Frau Rohrer, was machen Sie derzeit, wo treffen wir Sie gerade an?
ROHRER: Bei einer Recherche im Internet.
Was erwarten Sie sich von einer neuen Bundesregierung, welche Themen halten Sie für die drängendsten Herausforderungen in der österreichischen Innenpolitik?
Die Frage nach der Erwartung kann erst beantwortet werden, wenn man weiß, welche Bundesregierung. Am dringendsten ist ein Abbau der Schulden, die Schaffung eines Spielraums für Investitionen in die Wirtschaft, radikale Reformen im Föderalismus, Gesundheitspolitik, Bildungspolitik und Altersvorsorge.
„NICHT GENÜGEND ANSTRENGUNGEN“
Wie stehen Sie zu den aktuellen Entwicklungen in der Migrationspolitik Österreichs, welche Ansätze halten Sie für sinnvoll?
Sehe die Entwicklung sehr skeptisch, weil es nicht genügend Anstrengungen für erfolgreiche Integration gab. Ohne Zuwanderung wird der Wohlstand nicht zu halten sein und ohne positive Haltung wird es keine sinnvolle Zuwanderung geben.
Möglich erscheint, dass Herbert Kickl Bundeskanzler wird. Hat er aus Ihrer Sicht das nötige Staatsmann-Format dazu?
Nein.
„EHER AN KAISER ORIENTIEREN“
Was könnte sich aus Ihrer Sicht Parteichef Andreas Babler von den erfolgreichen SPÖ-Landeshauptleuten Peter Kaiser und Hans Peter Doskozil abschauen?
Babler sollte sich eher an Landeshauptmann Peter Kaiser orientieren, als an Hans Peter Doskozil. Die Erfahrung eines überschuldeten Bundeslandes auf Kosten künftiger Generationen hat Kärnten hinter sich.
POLITIK-POLITIK
Frau Rohrer, Sie haben bereits einige Generationen an Politikerinnen und Politikern erlebt, ihr Wirken analysiert und bewertet. Was fällt Ihnen zur gegenwärtigen Generation ein?
Die Fähigkeit, handwerklich korrekt zu arbeiten, hat entschieden abgenommen. Gegenwärtig wird nur Politik-Politik betrieben, nicht Politik für die Bevölkerung.
Welche Menschen haben Sie in Ihrem Journalistenleben nachhaltig beeindruckt?
Die SPÖ-Politikerin Stella Klein-Löw, Bruno Kreisky natürlich, Otto Schulmeister, Stefan Koren,
„REIZFIGUR WAR JÖRG HAIDER“
Was muss passieren, dass Sie etwa bei einer Diskussion heftig werden und wo Sie keinen Spaß verstehen?
Der Spaß hört sich in dem Moment auf, in dem klar wird, hier soll jemand für dumm verkauft werden – entweder ich selbst oder die Wähler. Reizfigur war Jörg Haider, dem ich einmal vorgeworfen habe: „Sie glauben den Unsinn, den Sie hier erzählen, ja selbst nicht.“
Ihre Energie, die Sie in den Diskussionsrunden versprühen, lässt staunen. Wie halten Sie sich fit?
Mit Neugier und Arbeit.
Gegenwärtig wird nur Politik-Politik betrieben, nicht Politik für die Bevölkerung.
Dr. Anneliese Rohrer
„TWITTER UND ÄHNLILCHES MEIDE ICH“
Wie nützen Sie soziale Medien?
Kommt darauf an, welche! Informationen und Fakten im Internet können sehr hilfreich sein. Twitter (X) und ähnliche Plattformen meide ich.
Wie hat sich Ihre Einstellung zum Leben mit den Jahren verändert?
Zwangsläufig verändert sich die Einstellung mit dem Alter. Wäre ja bedenklich, wenn nicht.
Haben Sie für unsere Leserinnen und Leser einen Buchtipp?
Anne Applebaum: „Die Achse der Autokraten.“
„FERNSEHSHOW NUR MIT FRAUEN“
Was wollen Sie in Ihrem Leben noch erreichen beziehungsweise erleben, was haben Sie noch vor?
Erreichen? Erleben? Einen sanften Abgang. Versuche noch immer, den ORF oder einen der Privatsender für eine Fernsehshow mit aktuellen Themen nur mit Frauen, aber nicht nur für Frauen zu interessieren.