Im Gespräch mit Konsumforscherin Univ.-Prof.in Dr.in Petra Riefler, Leiterin des Instituts für Marketing & Innovation der Universität für Bodenkultur (BOKU), Wien, über unser Konsumverhalten, die Relevanz von Nachhaltigkeit oder von „Tierwohl“ für unsere Kaufentscheidungen.
Es heißt, Konsum verspricht die Möglichkeit, dem Glück näher zu kommen. Macht uns Konsum wirklich glücklicher?
RIEFLER: Konsum hat keinen rein funktionellen Wert, sondern auch sehr viel symbolischen Charakter. Wir gönnen uns Dinge, wir zeigen anderen, was wir uns leisten können, und haben das Gefühl, dazuzugehören und im Leben etwas geschafft zu haben. Somit ist Konsum ein Mittel zum Zweck, um uns kompetent, autonom und mit anderen in Beziehung stehend zu erleben: Das sind drei psychologische Bedürfnisse, die jeder und jede von uns braucht, um Zufriedenheit zu fühlen. Somit kann Konsum zu – meist kurzfristiger – Zufriedenheit führen. Unsere Studien am Institut für Marketing und Innovation an der Universität für Bodenkultur zeigen jedoch, dass auch bewusster Verzicht auf Konsum dieses Erleben von Zufriedenheit erzeugen kann.
DIE SIGNALE NACH AUSSEN
Weshalb spielt Konsum in unserer Gesellschaft eine so zentrale Rolle?
Wir senden mit Konsum, vor allem mit Besitz, Signale an unsere Umwelt. Welche Marken wir wählen, welches Auto wir (nicht) fahren, welche Kleidung wir tragen. Das sind alles Signale nach außen, die sagen, wer wir sind, wer wir sein wollen oder auch wer wir nicht sein wollen. Es hat somit viel mit Identität zu tun. Zudem sind wir in einem Zeitalter des Überflusses aufgewachsen, eine Gesellschaft, die Warten oder Verzichten wenig kennt und, wie ich denke, wenig aushält.
Funktioniert „Greenwashing“, ein eher grüner Anstrich als Werbeschmäh, oder sind die Konsumentinnen und Konsumenten schon davor gewarnt?
Wir haben dazu einige Daten erhoben und wir sehen, dass Konsumentinnen und Konsumenten zwar einerseits skeptisch sind, andererseits Produkte, die etwa „klimaneutral“ auf der Verpackung angeben, besser und umweltfreundlicher bewertet werden.
HÖHERE ZAHLUNGSBEREITSCHAFT
Nicht für jeden ist nachhaltiger Konsum leistbar. Sind die Konsumentinnen und Konsumenten bereit, für nachhaltige Produkte tiefer ins Börserl zu greifen?
Viele Studien zeigen, dass Menschen eine höhere Zahlungsbereitschaft für nachhaltige Produkte angeben. In der Realität ist der Preis aber für die Mehrheit der Konsumentinnen und Konsumenten ein ausschlaggebendes Kaufentscheidungskriterium. Das hat zum Teil mit dem verfügbaren Einkommen zu tun, aber nicht ausschließlich. Die Frage ist auch, ob die nachhaltigeren Varianten mit den herkömmlichen Produkten in anderen Eigenschaften mithalten können, oder ob hier Nachteile erwartet werden. Solange Produkte, die die Umwelt schonen, teurer sind als Produkte, die der Umwelt schaden, wird man das Problem nicht lösen.
STARKE UNTERSCHIEDE
Wie hoch ist der Anteil der Konsumentinnen und Konsumenten, die bewusst auf Bio- und Fair-Trade-Produkte sowie Nachhaltigkeit schauen – Trend?
Die Größe des Bio-Segments ist über die letzten Jahre bei rund zehn bis 15 Prozent gelegen. Je nach Lebensmittelkategorie gibt es starke Unterschiede. So greifen bei Milch und Eiern deutlich mehr Menschen zu Bio als bei Fleisch- und Wurstwaren. Während der Umsatz von biologischen Lebensmitteln in den Jahren vor und während Corona stetig gewachsen ist, ist angesichts der aktuellen Wirtschaftslage davon auszugehen, dass die Segmentgröße eher stagnieren könnte.
„VERTRAUEN IST WICHTIG“
Tierhaltungsbetriebe mit Gütesiegel erwiesen sich in der Branche immer wieder als „schwarze Schafe“. Inwieweit werden dadurch die Fleischkonsumenten bei ihrem Kaufverhalten durch nicht artgerechte Tierhaltungen beeinflusst?
Umfragen zeigen, dass das Thema „Tierwohl“ in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Es ist vielen Konsumentinnen und Konsumenten wichtig, dass Tiere gut gehalten werden. Das gilt auch für Gruppen, denen etwa Bio nicht so wichtig ist. Manche werden vegetarisch, andere sagen, es ist natürlich, Tiere zu essen, und andere greifen eben etwas tiefer in die Tasche, um bessere Haltungsbedingungen zu gewährleisten. Bei allen Formen von Zertifizierungen ist Vertrauen wichtig. Denn als einzelne Konsumentin oder einzelner Konsument kann ich vor dem Kauf nicht überprüfen, ob Tierwohl, Nachhaltigkeit oder faire Löhne entlang der Wertschöpfungskette gegeben sind oder nicht.
„ICH ACHTE AUF …“
Worauf achten Sie persönlich beim Einkaufen ganz besonders?
Ich achte auf Herkunft, Saison und Inhaltsstoffe. Um zwei Beispiele zu nennen: Ich kaufe ausschließlich Lebensmittel, die aktuell bei uns wachsen oder gelagert werden können, und verzichte etwa auf Beeren im Winter, auch wenn sie angeboten werden. Bei Kosmetikartikel wie Duschgel oder Shampoo scanne ich mit einer App die Inhaltsstoffe, um Mikroplastik und andere bedenkliche Stoffe auszuschließen. Das heißt, ich wähle bewusst, was ich kaufe und verzichte auch auf manches. Das ist etwas, was man auch tun kann, ohne mehr Geld für Nachhaltigkeit ausgeben zu müssen.