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Mittwoch, 30. Oktober 2024

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„Scheinfirmen – nur um den Staat zu betrügen“

Wirtschaftskriminalität, Lohn- und Sozialdumping, Pfusch am Bau, illegale Ausländerbeschäftigung: Die Finanzpolizei operiert an vielen Fronten. Im Gespräch mit Rigobert Rainer, dem Leiter der Finanzpolizei für Kärnten und Steiermark.

Sie sind seit 2013 Chef der Finanzpolizei. Welche Trends zeichnen sich bei der Betrugsbekämpfung ab?
RAINER: Das hat sich seitdem in vielen Bereichen grundlegend geändert. Wir sind jetzt vor allem massiv mit Sozialbetrug, Scheinfirmen, Sozialleistungsbetrug sowie mit Lohn- und Sozialdumping beschäftigt. Stark zugenommen hat in den letzten zwei Jahren die illegale Ausländerbeschäftigung.

BEI DEN ZUSTÄNDIGEN BEHÖRDEN
Wie können sich Bürgerinnen und Bürger über ihre steuerlichen Pflichten informieren, um Verstöße zu vermeiden?
Grundsätzlich bei den jeweils zuständigen Behörden. Wenn es zum Beispiel um Hausbau geht, bei der Gewerbebehörde, bei Beschäftigungsfragen bei den Sozialversicherungsträgern oder beim Arbeitsmarktservice, wenn es um Arbeitsbewilligungen geht.

Was passiert, wenn ich 10.000 Euro an Steuern hinterziehe und erwischt werde?
Das entscheidet, auch was die Höhe der Strafe betrifft, dann die Finanzstrafbehörde als Teil des Amtes für Betrugsbekämpfung, das es seit 2021 gibt und im Sinne bestmöglicher Synergien alle zur Verfügung stehenden operativen Kräfte bündelt.

NACHBARSCHAFTSHILFE UND PFUSCH
Ein permanent diskutiertes Thema: Wo endet Nachbarschaftshilfe und beginnt Pfusch?
Nachbarschaftshilfe beginnt dort, wenn es im logischen Denkschluss nachweisbar ist, dass es sich beim Helfer tatsächlich um einen Freund, Nachbarn oder etwa einen langjährigen, befreundeten Kollegen handelt. Der Pfusch fängt an, wenn die Hilfskraft bezahlt wird.

SOZIALBETRUG ÜBER SCHEINFIRMEN
Organisierte Wirtschaftskriminalität: Tritt sie auch in Ihrem Verantwortungsbereich auf?
Organisierte Wirtschaftskriminalität tritt vor allem in Form von Sozialbetrug über Scheinfirmen auf. Aber das ganz massiv. Wir, also die Finanzpolizei, reagieren in diesem Hochrisikobereich mit gezielten Kontrollen, Profilerstellungen und vermehrtem Personaleinsatz.

ZELTFEST UND FINANZ
Veranstalter von Zeltfesten befürchten oft, dass sie möglicherweise ins Visier der Finanz geraten könnten. Ist diese Furcht gerechtfertigt?
Nein und ja. Wenn ein Zeltfest beispielsweise von einer Feuerwehr oder einem Verein mit dem Zielzweck der Vereins­tätigkeit ausgeübt wird, ist das überhaupt kein Problem. Sollte jedoch – um etwa steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Vorgaben zu umschiffen – ein Fest mit 25.000 Besuchern stattfinden mit 400.000 Euro an Eintrittsgeldern, ist das dann kein Vereinsfest mehr.

In welcher Branche gibt es besonders viele schwarze Schafe?
Daran hat sich nichts geändert. Das sind vor allem der Bau, die Gastronomie und einige Nischenbereiche.

In den ersten sechs Monaten 2024 hat die Finanzpolizei in Österreich bei rund 14.000 Überprüfungen rund 17 Millionen Euro aus Strafen und Exekutionen abgeführt. Was beschäftigt Sie in dieser Hinsicht in besonderem Maße?
In besonderem Maße beschäftigen uns einerseits die Malversationen am Bau mit Scheinunternehmen, die nur gegründet werden, um den Staat zu betrügen, und andererseits die Manipulationen bei den Registrierkassen im Gastro-Bereich. Bei fast jedem zweiten oder dritten Betrieb stellen wir Verstöße fest.

Auf der A2 bei Arnoldstein wurde Europas größte Schwerpunktkontrolle durchgeführt – mit welchen Ergebnissen?
Unser Part bestand insbesondere darin, Lohn- und Sozialdumping festzustellen. Das muss man sich vorstellen: In Rumänien werden indische Schwer-Lkw-Fahrer mit einem Monatsentgelt von 300 Euro eingestellt. Ein weiterer Schwerpunkt – das wurde gleich vor Ort exekutiert – waren Steuerrückstände von Firmen, die bei uns steuerpflichtig sind, jedoch säumig waren oder keine Steuern bezahlt haben.

Indem sie ihr Auto im Ausland anmelden, ersparen sich viele Menschen die Nova. Wie sehen Sie das?
Wenn jemand, der seinen Lebensmittelpunkt bei uns, aber sein Fahrzeug nicht in Österreich angemeldet hat, der muss mit einer Finanzstrafe, abgabenrechtlicher Nachzahlung und Kraftfahrzeug-Steuernachzahlung rechnen. Da gibt es keinen Pardon. In einem Jahr wurden einmal wegen rechtswidriger Verwendung von Kennzeichen 55 Millionen Euro an Steuernachforderungen vorgeschrieben.

Wer kontrolliert die Finanzpolizei?
Als Teil des Amtes für Betrugsbekämpfung wird die Finanzpolizei durch die oberste Führung, also den Vorstand, kontrolliert.

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Wirtschaftskriminalität, Lohn- und Sozialdumping, Pfusch am Bau, illegale Ausländerbeschäftigung: Die Finanzpolizei operiert an vielen Fronten. Im Gespräch mit Rigobert Rainer, dem Leiter der Finanzpolizei für Kärnten und Steiermark.

Sie sind seit 2013 Chef der Finanzpolizei. Welche Trends zeichnen sich bei der Betrugsbekämpfung ab?
RAINER: Das hat sich seitdem in vielen Bereichen grundlegend geändert. Wir sind jetzt vor allem massiv mit Sozialbetrug, Scheinfirmen, Sozialleistungsbetrug sowie mit Lohn- und Sozialdumping beschäftigt. Stark zugenommen hat in den letzten zwei Jahren die illegale Ausländerbeschäftigung.

BEI DEN ZUSTÄNDIGEN BEHÖRDEN
Wie können sich Bürgerinnen und Bürger über ihre steuerlichen Pflichten informieren, um Verstöße zu vermeiden?
Grundsätzlich bei den jeweils zuständigen Behörden. Wenn es zum Beispiel um Hausbau geht, bei der Gewerbebehörde, bei Beschäftigungsfragen bei den Sozialversicherungsträgern oder beim Arbeitsmarktservice, wenn es um Arbeitsbewilligungen geht.

Was passiert, wenn ich 10.000 Euro an Steuern hinterziehe und erwischt werde?
Das entscheidet, auch was die Höhe der Strafe betrifft, dann die Finanzstrafbehörde als Teil des Amtes für Betrugsbekämpfung, das es seit 2021 gibt und im Sinne bestmöglicher Synergien alle zur Verfügung stehenden operativen Kräfte bündelt.

NACHBARSCHAFTSHILFE UND PFUSCH
Ein permanent diskutiertes Thema: Wo endet Nachbarschaftshilfe und beginnt Pfusch?
Nachbarschaftshilfe beginnt dort, wenn es im logischen Denkschluss nachweisbar ist, dass es sich beim Helfer tatsächlich um einen Freund, Nachbarn oder etwa einen langjährigen, befreundeten Kollegen handelt. Der Pfusch fängt an, wenn die Hilfskraft bezahlt wird.

SOZIALBETRUG ÜBER SCHEINFIRMEN
Organisierte Wirtschaftskriminalität: Tritt sie auch in Ihrem Verantwortungsbereich auf?
Organisierte Wirtschaftskriminalität tritt vor allem in Form von Sozialbetrug über Scheinfirmen auf. Aber das ganz massiv. Wir, also die Finanzpolizei, reagieren in diesem Hochrisikobereich mit gezielten Kontrollen, Profilerstellungen und vermehrtem Personaleinsatz.

ZELTFEST UND FINANZ
Veranstalter von Zeltfesten befürchten oft, dass sie möglicherweise ins Visier der Finanz geraten könnten. Ist diese Furcht gerechtfertigt?
Nein und ja. Wenn ein Zeltfest beispielsweise von einer Feuerwehr oder einem Verein mit dem Zielzweck der Vereins­tätigkeit ausgeübt wird, ist das überhaupt kein Problem. Sollte jedoch – um etwa steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Vorgaben zu umschiffen – ein Fest mit 25.000 Besuchern stattfinden mit 400.000 Euro an Eintrittsgeldern, ist das dann kein Vereinsfest mehr.

In welcher Branche gibt es besonders viele schwarze Schafe?
Daran hat sich nichts geändert. Das sind vor allem der Bau, die Gastronomie und einige Nischenbereiche.

In den ersten sechs Monaten 2024 hat die Finanzpolizei in Österreich bei rund 14.000 Überprüfungen rund 17 Millionen Euro aus Strafen und Exekutionen abgeführt. Was beschäftigt Sie in dieser Hinsicht in besonderem Maße?
In besonderem Maße beschäftigen uns einerseits die Malversationen am Bau mit Scheinunternehmen, die nur gegründet werden, um den Staat zu betrügen, und andererseits die Manipulationen bei den Registrierkassen im Gastro-Bereich. Bei fast jedem zweiten oder dritten Betrieb stellen wir Verstöße fest.

Auf der A2 bei Arnoldstein wurde Europas größte Schwerpunktkontrolle durchgeführt – mit welchen Ergebnissen?
Unser Part bestand insbesondere darin, Lohn- und Sozialdumping festzustellen. Das muss man sich vorstellen: In Rumänien werden indische Schwer-Lkw-Fahrer mit einem Monatsentgelt von 300 Euro eingestellt. Ein weiterer Schwerpunkt – das wurde gleich vor Ort exekutiert – waren Steuerrückstände von Firmen, die bei uns steuerpflichtig sind, jedoch säumig waren oder keine Steuern bezahlt haben.

Indem sie ihr Auto im Ausland anmelden, ersparen sich viele Menschen die Nova. Wie sehen Sie das?
Wenn jemand, der seinen Lebensmittelpunkt bei uns, aber sein Fahrzeug nicht in Österreich angemeldet hat, der muss mit einer Finanzstrafe, abgabenrechtlicher Nachzahlung und Kraftfahrzeug-Steuernachzahlung rechnen. Da gibt es keinen Pardon. In einem Jahr wurden einmal wegen rechtswidriger Verwendung von Kennzeichen 55 Millionen Euro an Steuernachforderungen vorgeschrieben.

Wer kontrolliert die Finanzpolizei?
Als Teil des Amtes für Betrugsbekämpfung wird die Finanzpolizei durch die oberste Führung, also den Vorstand, kontrolliert.

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